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Recht und Gesetz |
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Alleinhaftung beim Auffahren auf ein „abgewürgtes“ Fahrschulfahrzeug/ Fahrschulmietwagenkosten/Eigenersparnis beim gewerblichen Mietfahrzeug und Wertminderung |
Das LG Nürnberg kommt in seinem Urteil vom 04.05.2023 – 20 O 4607/22 – zu dem Ergebnis, dass derjenige, der auf ein „abgewürgtes“ Fahrschulfahrzeug auffährt, zu 100 Prozent haftet. Das „Abwürgen“ stellt einen typischen Anfängerfehler eines Fahrschülers dar und kann nicht zur Erschütterung des Anscheinsbeweises des Auffahrenden herangezogen werden.
Jeder Verkehrsteilnehmer, der einem deutlich als solchen gekennzeichneten Fahrschulfahrzeug folgt, muss mit plötzlichen und sonst nicht üblichen Reaktionen, auch ohne dass sie durch eine für das Fahrschulfahrzeug bestehende Verkehrssituation hervorgerufen werden, rechnen und seine Fahrweise darauf einstellen.
Den Ersatz der Kosten für Covid-Schutzmaßnahmen lehnt das LG Nürnberg ab, da solche Kosten von den meisten Werkstätten nicht mehr berechnet werden bzw. gar nicht erst anfallen.
Das LG Nürnberg hält eine Wertminderung in Höhe von 250,00 EUR netto, die sich gemittelt aus der Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM) und der Berechnung gemäß dem BVSK ergibt, für angemessen.
Auch die Kosten für die Anmietung eines Fahrschulersatzwagens hat das LG Nürnberg abzüglich einer Eigenersparnis in Höhe von 3 Prozent in voller Höhe zugesprochen, denn die Anmietung des Mietfahrzeuges war im Vergleich zu den Verlusten, die der Klägerin bei Nichtanmietung entstanden wären, nicht unverhältnismäßig.
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Hemmung der Verjährung durch schwebende Verhandlungen/ Nutzungsentschädigung bei fiktiver Abrechnung |
Das LG Frankenthal vertritt in seinem Urteil vom 04.05.2023 – 8 O 62/22 – die Auffassung, dass, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände geführt werden, die Verjährung gemäß § 203 S. 1 BGB solange gehemmt ist, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Unstreitig schwebten im vorliegenden Fall zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2), deren Regulierungsverhalten sich der Beklagte zu 1) gemäß § 115 Abs. 2 S. 4 VVG zurechnen lassen muss, wegen der von der Beklagten zu 2) geforderten Gegenüberstellung der Fahrzeuge solche Verhandlungen, die erst mit der Ablehnung einer solchen Rekonstruktion beendet wurden. Unabhängig hiervon war der Lauf der Verjährung auch durch die bereits mit Schreiben erfolgte Forderungsanmeldung gegenüber der Beklagten zu 2) gehemmt.
Den Anspruch auf Nutzungsentschädigung hat das Gericht, der Kläger hat auf fiktiver Basis abgerechnet, abgewiesen. Derjenige, der seine Wiederherstellungskosten fiktiv abrechnet, kann nicht für die gedachte Dauer der Reparatur Nutzungsentschädigung verlangen, sondern nur für die in Folge der Wiederherstellung tatsächlich angefallene Ausfallzeit. Es ist erforderlich, dass der Geschädigte, der etwa eine Eigenreparatur vornimmt, sowohl die (teilweise) Wiederherstellung als auch deren Dauer konkret und substantiiert darlegt und nachweist, dass sein Fahrzeug an im Einzelnen zu bezeichnenden Tagen bei bestehendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit reparaturbedingt nicht nutzbar war.
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28 Tage Ersatz der Mietwagenkosten bei Bestellung eines Ersatzfahrzeuges |
Nach dem Urteil des AG Eckernförde vom 25.04.2023 – 6 C 356/23 – kann die Geschädigte auch dann den vollen Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, wenn die prognostizierte Wiederbeschaffungsdauer überschritten wird. Im vorliegenden Fall hat das Gericht für den Zeitraum von 28 Tagen die Mietwagenkosten für erforderlich und erstattungsfähig gehalten. Im Fall der Neuanschaffung eines Pkw wird die Grenze für die Dauer der Neuanschaffung bei ca. drei Wochen gezogen, wobei diese Grenze nicht als starrer Zeitraum zu verstehen ist. Entstandene Schwierigkeiten und Verzögerungen der Ersatzbeschaffung sind dem Schädiger zuzurechnen, da er das sog. Werkstattrisiko trägt. Die Geschädigte hat bereits kurze Zeit nach dem Unfallereignis die Bestellung eines Ersatzfahrzeuges in Auftrag gegeben. Sie konnte vernünftigerweise davon ausgehen, dass die prognostizierte Wiederbeschaffungs-dauer eingehalten wird.
Der Geschädigten ist kein Verstoß gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht vorzuwerfen, weil sie keine Vergleichsangebote eingeholt hat. Die von der Beklagtenseite hervorgebrachten Mietwagenangebote waren ihr im konkreten Fall nicht zugänglich. Es ist der Geschädigten auch nicht zumutbar, die finanziellen Mittel gegebenenfalls durch Aufnahme eines Kredits als Vorleistung aufzubringen. Die Mietwagenkosten sind auch der Höhe nach voll erstattungsfähig, denn es kann der Geschädigten nicht verwehrt werden, auf die Schwacke-Liste zurückzugreifen. Auch ein Abzug der Eigenersparnis muss sich die Geschädigte nicht anrechnen lassen, da sie ein klassentieferes Fahrzeug angemietet hat. Da die Geschädigte den Mietwagen in den 28 Miettagen für 1.798 km genutzt hat, liegt auch kein geringer Fahrbedarf vor.
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